Der Bund will beim Schutz der Jugend vor problematischen Medien erzieherische und regulierende Massnahmen miteinander verknüpfen und ortet Nachholbedarf bei der Regulierung. Am dritten Nationalen Fachforum Jugendmedienschutz liessen sich gestern in Bern 350 Fachleute darüber informieren.
(SSF/PD/im.) Die Förderung der Medienkompetenzen konnte in den letzten Jahren erfolgreich weiterentwickelt werden, wurde in Bern betont. Von 2011 bis 2015 hat der Bund gemeinsam mit der Swisscom, der Swiss Interactive Entertainment Association und der Jacobs Foundation das Nationale Programm Jugend und Medien umgesetzt. Nach einer ersten schweizweiten Bestandsaufnahme wurden Sensibilisierungsmassnahmen für Eltern, Lehrkräfte und Betreuungspersonen entwickelt. Die unter Jugendlichen im Rahmen von sieben Pilotversuchen getestete Peer-Education-Methode seien ebenfalls erfolgversprechend. Die Evaluation des Programms Jugend und Gewalt habe aufgezeigt, dass die umgesetzten Aktivitäten und Leistungen zielführend sind. Jedoch müssten die Fachleute der Bereiche Jugendarbeit, Heimwesen, Betreuungsstrukturen sowie die Berufsschulen noch vermehrt unterstützt werden.
Regulierung besser koordinieren
Bei der Regulierung sind laut den Programmverantwortlichen hingegen Koordinationsmassnahmen auf Bundesebene erforderlich, da dieser Bereich komplex und stark fragmentiert ist. Verschiedene Studien verweisen auf Lücken oder Probleme bei der Umsetzung des schweizerischen Regulierungssystems. Bis heute war es zum Beispiel nicht möglich, ein schweizweit einheitliches Kinozutrittsalter durchzusetzen, heisst es in der Medienmitteilung des Bundes. Die Wirksamkeit von Jugendschutzfiltern im Internet sei unzulänglich. Zu viele Jugendliche könnten sich Filme und Videospiele beschaffen, die für ihre Altersgruppe ungeeignet sind – bei Testkäufen fällt rund die Hälfte durchs Netz. Der Bund wird nun prüfen, ob die Selbstregulierung der Medienbranche verschärft und auf Gesetzesebene ergänzt werden soll. Im Internetbereich will man vermehrt die internationale Zusammenarbeit suchen.
Mit dem 3. Fachforum wird das nationale Programm «Jugend und Medien» zur Förderung von Medienkompetenzen aber bereits abgeschlossen. Ab 2016 sollen die Aktivitäten auf Bundesebene jedoch unbefristet weitergeführt, gemeinsam mit den Kantonen, den privaten Organisationen und den Akteuren der Medienbranche.
Massnahmen des Bundesrates
Aufgrund der Evaluationsergebnisse hat der Bundesrat verschiedene Massnahmen verabschiedet: Ein Schwerpunkt liegt auf der Weiterführung der unterstützenden Massnahmen des Bundes im Bereich der Fo?rderung von Medienkompetenzen. Ein zweiter Schwerpunkt soll auf dem regulierenden Jugendmedienschutz liegen. Hier hat der Bundesrat im Rahmen seiner Zuständigkeiten verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Regulierungsinstrumente in die Wege geleitet:
So wurde mit der Verabschiedung des Fernmeldeberichts das UVEK 2014 beauftragt, bis Ende 2015 eine Vorlage zur Revision des Fernmeldegesetzes (FMG) vorzulegen und darin eine Beratungspflicht der Fernmeldedienstanbieter in Bezug auf technische Jugendschutzmassnahmen, namentlich Filterprogramme, vorzusehen. Unter anderem soll sichergestellt werden, dass jeweils die modernsten und wirksamsten Filterprogramme in der Schweiz erhältlich sind.
Das EJPD wurde beauftragt, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Bereich der zivilrechtlichen Verantwortung von Internet Plattformbetreibern und Providern zu prüfen und bei Bedarf bis Ende 2015 eine Vernehmlassungsvorlage zu unterbreiten. Zudem muss das EJPD bis August 2016 einen Vorentwurf für eine Revision des Datenschutzgesetzes unterbreiten. Unter anderem soll der Schutz von Minderjährigen verbessert werden.
EU-Recht übernehmen oder eigene Gesetze schaffen?
Der Bundesrat lässt zurzeit prüfen, ob die einschlägigen Bestimmungen der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie (AVMD-Richtlinie) der EU übernommen bzw. ob entsprechende gesetzliche Regelungen für Abrufdienste (Video-on-Demand) geschaffen werden sollen.
Zu einem späteren Zeitpunkt werde auch zu prüfen sein, ob die Jugendschutzbestimmungen der Verordnung zum Radio- und Fernsehgesetz (RTVV) präzisiert werden müssen, schreibt das zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen.
Im Film- und Computerspielebereich soll bis im Sommer 2016 geprüft werden, ob eine bundesgesetzliche Regelung von Alterskennzeichnungen von Zugangs- und Abgabebeschränkungen (gestützt auf Art. 95, Abs. 1 BV) zielführend ist und wie diese auszugestalten wäre.
Kantone in Pflicht genommen
Schliesslich wird den Kantonen mit fehlender gesetzlicher Grundlage für die präventiven verdeckten Fahndungen im Bereich des Jugendmedienschutzes (z.B. hinsichtlich verbotener Pornographie) empfohlen, eine solche zu schaffen. Von den Medienbranchen wird erwartet, dass sie ihr Engagement für den Kinder- und Jugendmedienschutz weiterführen, Selbstregulierungsmassnahmen wo no?tig anpassen und für eine konsequente Umsetzung dieser Massnahmen sorgen.
Um die verschiedenen Massnahmen aufeinander abzustimmen und bei Bedarf den aktuellen Entwicklungen anzupassen, soll der Bund eine informelle Koordinationsrolle übernehmen, verstärkt mit den Kantonen und der Wirtschaft auf freiwilliger Basis zusammenarbeiten, ein Monitoring der Entwicklungen gewährleisten und die internationale Zusammenarbeit verstärken.
Motion Bischofberger erfüllt
Mit diesen Massnahmen wird laut Mitteilung des BSV den zahlreichen politischen Vorsto?ssen der letzten Jahre Rechnung getragen und die vom Parlament überwiesene Motion Bischofberger (10.3466) erfüllt. Diese fordert vom Bundesrat Massnahmen, dass die zuständigen Stellen effizient im Jugendmedienschutz zusammenarbeiten, aktuelle Probleme wissenschaftlich erfasst werden und Sensibilisierungsmassnahmen erfolgen.