Das Credit Suisse Jugendbarometer 2015 vergleicht die Welt der 16- bis 25-Ja?hrigen in der Schweiz, den USA, Brasilien und Singapur. Dabei werden sie vor allem als „Digital Natives“ gesehen, aber nicht nur.
(SSF/PD/im.) Wie denken junge Menschen im Jahr 2015? Was ist ihnen im Leben wirklich wichtig und wie stellen sie sich ihre Zukunft vor? Zu diesen und andern Fragen erstellte das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der Credit Suisse das Jugendbarometer. Es befragte jeweils rund 1000 Jugendlichen in den vier untersuchten Ländern.
Hier zuerst die zehn wichtigsten Erkenntnisse des Jugendbarometers 2015 im Überblick:
Digitale Welt: Die wichtige oder gar unverzichtbare Rolle des Internets für über 85 Prozent der (meistens online) befragten Jugendlichen zeigt sich vor allem bei der Nutzungsdauer: Mit Ausnahme der Schweiz verbringt die Mehrheit der Jugendlichen mehr als zwei Stunden täglich im Netz, und zwar für private Zwecke, sprich zusätzlich zu Schule oder Arbeit.
Datenschutz: Für über 75 Prozent ist klar, dass sie sich im Internet selber schützen müssen. 69 Prozent wünschen sich aber auch, dass der Staat hier eine bedeutendere Rolle einnehmen würde.
Facebook: Das soziale Netzwerk spielt bei allen digitalen Themen eine zentrale Rolle – mehr als die Hälfte der Befragten finden gar, Facebook verändere die Welt. Doch erstaunlicherweise ist die Plattform für die Kommunikation nicht mehr so wichtig, da dominiert ganz klar WhatsApp (ausser in den USA). Das Netzwerk hat eine andere Funktion übernommen: 27 Prozent der Befragten aus Singapur, 22 Prozent aus den USA, 17 Prozent aus Brasilien und 5 Prozent aus der Schweiz geben an, Facebook sei ihre wichtigste Informationsquelle. Somit ist Facebook für diese Generation ein wichtigeres Nachrichtenmedium als News-Apps, Radio, TV oder Zeitungen.
Mediennutzung: Im Jugendbarometer liess sich der Leserschwund von Bezahlzeitungen schon früh erkennen; nun deutet sich an, dass dem Fernsehen ein ähnliches Schicksal drohen könnte: Sogar im TV-Land USA ist das Fernsehen erstmals nicht mehr unter den Top 3 der Dinge, die angesagt sind. In der Schweiz ist die Popularität des Fernsehens innert fünf Jahren von 80 Prozent auf 62 Prozent gesunken. Parallel dazu verläuft der Aufstieg der Videoplattform YouTube, die in allen vier untersuchten Ländern als „in“ gilt. Interessanterweise ist das Radio konstant beliebt, zumindest in der Schweiz.
Out: Als unattraktiv in allen vier Ländern gelten Drogen und Rauchen sowie politische Parteien und Religionen. Zudem sind veraltete Internetplattformen wie Myspace und Orkut (mittlerweile nicht mehr in Betrieb) bei den Jugendlichen unbeliebt.
Finanzen: In den USA und Brasilien haben 20 Prozent bis 30 Prozent der Jugendlichen Schulden, in Singapur und vor allem in der Schweiz ist die Anzahl weitaus tiefer (etwa 12 Prozent respektive 3 Prozent) – diese Zahlen sind seit Jahren ungefähr konstant.
Ziele: Diese Generation möchte ein bisschen von allem: Selbstverwirklichung und Arbeit, die erfüllend ist und den eigenen Talenten entspricht. Die Work-Life-Balance soll stimmen und man will viele verschiedene Dinge ausprobieren. Dann erst folgt das, was Vater und Mutter vielleicht eher hören möchten – Karriere machen und mehr Wohlstand als die eigenen Eltern erreichen. Bezeichnenderweise werden diese zwei letzten Punkte vor allem in dem Land genannt, welches das tiefste Pro-Kopf-Einkommen aufweist: Brasilien. In der Schweiz hingegen stehen solche Ziele eher im Hintergrund.
Karriere/Beruf: In welchen Branchen wären die Jugendlichen am liebsten angestellt? 1. Medien, 2. Tourismus, 3. Bildungswesen, 4. Telekommunikation, 5. Gesundheitswesen, 6. Banken. Jedoch hat eine grosse Anzahl der Befragten in allen Ländern die Erfahrung gemacht, dass weibliche Arbeitskräfte benachteiligt werden. Und nirgendwo ist die Zustimmung zu dieser Aussage so hoch wie in der Schweiz (57 Prozent).
Zukunft: Die befragten Jugendlichen – sie sind geboren zwischen 1990 und 1999 – blicken optimistisch nach vorne. In der Schweiz hat die Zuversicht seit 2010 Jahr für Jahr zugenommen, heute sind 64 Prozent optimistisch. So hohe Werte erreicht kein anderes Land. Traditionell waren auch die Brasilianerinnen und Brasilianer im Jugendbarometer jeweils sehr hoffnungsvoll, doch die letzten, schwierigen Jahre und die düsteren wirtschaftlichen Prognosen liessen die Gruppe der Optimisten auf 58 Prozent schrumpfen (-15 Prozentpunkte seit 2012). In den USA (57 Prozent) und in Singapur (47 Prozent) beurteilen die 16- bis 25-Jährigen die eigene Zukunft dagegen zuversichtlicher als in den letzten drei Jahren.
Sorgen: Die pessimistischere Haltung in Brasilien (Punkt 9) hängt eng mit den Problemen des Landes zusammen: Drei von vier Jugendlichen in Brasilien finden, es gebe zu viel Korruption im Land. Kein anderes Problem in keinem anderen Land wird derart einstimmig diagnostiziert. Auch die Arbeitslosigkeit bereitet in Brasilien wieder mehr Sorgen (59 Prozent). Sie ist auch in Singapur (33 Prozent) und in den USA (50 Prozent) ein grosses Thema. In der Schweiz stehen hingegen Ausländerthemen zuoberst (51 Prozent).
Folgerungen und Schlüsse
Mediale Themen beeinflussen die Problemwahrnehmung auch der Jugendlichen stark. Das zeigt sich zum Beispiel, indem die Schweizer Jugendlichen die Zuwanderung mehrheitlich als Problem gesehen wird, nicht aber die kleine Geburtenrate, welche eigentlich erst das Vakuum schafft, das durch Immigration von ausländischen Fachkräften ausgefüllt wird. In Brasilien wird zum Beispiel die Korruption als grösstes Problem wahrgenommen, aber auch dort offensichtlich unter dem Einfluss der Medien, die das Problem bewirtschaften.
Das gfs-Jugendbarometer stellt zwar den Wunsch nach einem „stabilen privaten Fundament“ fest, kann dieses aber nicht in den Zusammenhang einer Familie stellen, die eher als Opfer des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels gesehen wird. Andere Umfragen unter Jugendlichen, die konkreter nach familiären Wünschen fragt, stellen ein hohes Bedürfnis nach einer glücklichen und stabilen Partnerschaft, zum Teil auch mit Kindern, fest.
Das politische Engagement ist unter jungen Leuten besonders dort sichtbar, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse eher schlecht sind. In der Schweiz sind Jugendliche unter den politisch Intereressierten eine Minderheit. Die Konsequenz daraus: Politik wird von den älteren Generationen gemacht – mit einer Tendenz zu konservativen Werten. Dabei spielt die Religion (noch) kaum eine Rolle.
Die Medienwelt wird sich verändern. Bezahlzeitungen sind kein Thema unter den Jungen. Vielleicht auch, weil viele die Zeitung ihrer Eltern lesen. Auch das Fernsehen wird an Terrain einbüssen. Im Vordergrund stehen die digitalen neuen Medien. In der Schweiz sind aber auch die Gratiszeitungen beliebt. Das Angebot beeinflusst also auch bei den Jungen den Konsum.
Die Werte der Jugendlichen sind stark von Selbstbestimmung, Entfaltungsmöglichkeiten und Trendthemen wie die Gleichberechtigung der Geschlechter bestimmt. Familienwerte sind altersgemäss noch nicht ausgeprägt. Für die meisten ist eine Familiengründung auch noch kein Thema.
Weitere Infos zum Jugendbarometer 2015