Das mit grossem Interesse erwartete Abschlusspapier der Familiensynode der katholischen Bischöfe in Rom besticht durch seine Differenziertheit und klare Struktur. Der Wiener Kardinal Schönborn bezeichnete es als „zukunftsweisend“. Reformkatholiken sind enttäuscht.
Während die einen sich von der Reformsynode kaum weniger als eine generelle Zulassung von geschiedenen Wiederverheirateten zu den Sakramenten und die Segnung homosexueller Paare gefordert hatten, waren solche Themen zum Beispiel für Bischöfe aus Afrika tabu. Die Familiensynode musste einen Konsens innerhalb einer Weltkirche suchen, die nicht bereit ist, sich der von Säkularismus und Beliebigkeit geprägten westlichen Kultur zu unterwerfen. Sie bleibt ein Fels in der Brandung.
Interessant sind dennoch die eher feinen Töne im Dokument, die mehr bedeuten, als es auf den ersten Blick scheint. Zum Umgang der Kirche mit Wiederverheirateten stellt das Papier fest, dass die Umstände der Scheidung sehr unterschiedlich sein können. Wurde ein Partner zum Beispiel trotz allen Bemühungen, die Ehe zu retten, vom Partner verlassen und steht jetzt mit Kindern allein da? Oder geht es um einen Vater oder eine Mutter, die die Ehe leichtfertig zugunsten einer neuen Verbindung zerstört hat? Hier sollen die Seelsorger die konkrete Situation in den Blick nehmen und dann eine Entscheidung treffen. Was vielerorts schon Praxis ist, wird mit dem Dokument zumindest bestätigt. Der Theologe Walter Kirchschläger hatte bereits im Vorfeld der Synode darauf hingewiesen, dass die Kirche damit einem erneuerten Bibelverständnis folgt, das stärker den Segen als den Imperativ betont und einer Kirche das Wort redet, die auch die Menschen in Ehe und Familie nicht in perfekten Verhältnissen, sondern „auf dem Weg“ sieht. Es folgt damit einem Leitspruch von Franziskus: "Gesetze sind für die Menschen gemacht – und nicht umgekehrt."
Ortskirche und Universalkirche
Das Abschlussdokument spricht im Umgang mit Menschen, die in der Ehe gescheitert sind, von Differenzierung und von Dezentralisierung. Es gilt, die Entscheidung zum Beispiel über die Zulassung zum Sakrament im Kontext einer bestimmten Kultur und ihren Normen zu fällen. Sie ist in Europa oder in den USA anders als in Afrika oder Südamerika. „Es braucht einen Ausgleich zwischen Ortskirche und Universalkirche“, sagte dazu Kardinal Schönborn. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Motivation in der Seelsorge. Diese soll nicht von Legalismus geprägt sein, sondern von Barmherzigkeit und vom Bestreben nach Integration. Dabei soll besonders auch auf die Situation der Kinder geachtet werden. Ein Aspekt, der zum Beispiel auch die aktuelle Familienpolitik in der Schweiz prägt.
Das grosse „Ja“ zur Familie
Das Papier nahm, obwohl das mit Spannung erwartet wurde, nicht zur Homosexualität Stellung, mit Ausnahme des Umgangs mit homosexuellen Familienmitgliedern. Betont wird allerdings, Homosexuelle seien mit Respekt zu behandeln. Zwar wurde das Thema diskutiert, aber die die Synode stellte den Ehe- und Familienbegriff ins Zentrum. Danach besteht eine Ehe aus Mann und Frau, die offen für Kinder sind. Die Synode war sich dabei der Realität der Familien heute bewusst, stellt aber auch fest: „Die Familie ist kein Modell der Vergangenheit, sondern eine fundamentale Realität unserer Gesellschaft.“ Dazu sage die Kirche ein grosses „Ja“, betonte Schönborn.
Klare Struktur – und Handlungsanweisung
Das Abschlussdokument ist in drei Schritte strukturiert: Sehen – Urteilen – Handeln. Sehen: Es geht hier um die Wirklichkeit der Familien – ohne Idealisierung. Um die positiven und negativen Aspekte von Familie heute. Urteilen: Zu unterscheiden seien die verschiedenen Wirklichkeiten, in der sich eine Ehe bewähren muss. Hier empfiehlt das Papier den Pfarreien eine gute Vorbereitung der Paare auf die Ehe und die spätere Begleitung. Handeln: Ehe verkündigt auch die Gnade Gottes, sie ist Teil der Mission der Kirche. Diese unterstützt die Ehe im Dreischritt Vorbereitung, Feier und Begleitung. Zur Begleitung gehören die Unterstützung bei verantwortlicher Elternschaft, Adoption, Schul- und Erziehungsfragen. Darin soll sich die Römisch-katholische Kirche als eine heilende, barmherzige und unterstützende Kirche erweisen.
Das Papier dient jetzt als Grundlage für künftige Entscheidungen von Papst Franziskus. Es dürfte aber auch für die pastorale Praxis in den Kirchgemeinden schon jetzt von grosser Bedeutung sein.