Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat unlängst entschieden, dass Abtreibung eine Dienstleistung im Sinne des Unionsrechts ist. Dies brachte Länder mit Abtreibungsverboten unter Zugzwang. Droht auch dem Verbot von geschäftsmässig betriebener Suizidhilfe durch Deutschland das Aus, wenn der Fall vor den EuGH kommen sollte?
(SSF/iDAF/im.) Viele hätten sich auch in der Schweiz ein Verbot gewünscht, wie es nach langen und kontroversen Debatten Anfang Monat vom deutschen Bundestag erlassen wurde. Dieser verabschiedete ein Gesetz, das die «geschäftsmässige» Sterbehilfe künftig verbietet und unter Strafe stellt. Es richtet sich vor allem gegen Sterbehilfevereine, aber auch gegen Einzelpersonen, die regelmässig, also «geschäftsmässige» Beihilfe zum Suizid anbieten.
Mögliche Parallele
Doch der Bundestag könnte „die Rechnung ohne den Wirt“ gemacht haben, befürchtet das Institut für Demografie, Allgemeinwohl und Familie (iDAF). Es verweist auf einen Entscheid gegen Irland, das Abtreibungen nur in genau definierten Ausnahmefällen erlaubt. Dort ging es um die Frage, ob Studierende Informationen über Abtreibungskliniken im Ausland verbreiten dürfen. Obwohl das EU-Gericht einräumte, dass man Abtreibungen als unmoralisch beurteilen könnte, entschied es, dass sie eine Dienstleistung im Sinne des Unionsrechts seien.
Ein ähnliches Los könnte laut Einschätzung des iDAF auch dem Verbot der organisierten Suizidhilfe drohen. Sowohl der EuGH in Luxemburg wie der Menschenrechtsgerichtshof des Europarats in Strassburg tendierten dazu, den demokratisch legitimierten Gesetzgeber durch politisch motivierte Grundsatzurteile auszubremsen. Diese Gefahr droht im Falle der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zum Suizid insofern, als diese mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar wären.
Parlamentarische Initiative macht Druck
Zurzeit ist im EU-Parlament denn auch eine parlamentarische Initiative pendent, die das Recht einfordert, in Würde sterben zu dürfen. Es soll von Menschen eingefordert werden dürfen, die an einer unheilbaren Krankheit im fortgeschrittenen oder Endstadium leiden, die zu unerträglichem körperlichen und psychischen Leiden führt, das nicht gelindert werden kann. Sie sollen die Möglichkeit haben, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um ihr Leben in Würde zu beenden, wie es in der Schriftlichen Erklärung 0055/2015 zur parlamentarischen Initiative heisst.
Teil des öffentlichen Gesundheitswesens
Dass sich die EU in diese Richtung bewegen könnte, wird durch die Tatsache begünstigt, dass ein „Recht auf Sterben“ in die Zuständigkeit der EU-Institutionen fällt, indem es dem Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens unterstellt ist. Die Schriftliche Erklärung 0055/2015 liegt noch bis Januar 2016 aus. Dann beginnt eine weitere Runde in der Euthanasiedebatte des EU-Parlaments.