Das Psychologische Institut der Universität Zürich hat drei Studien zum Thema „dyadic coping“ veröffentlicht. Sie eröffnen neue Aspekte für das Gelingen von Paarbeziehungen auch unter Stress. Wir sprachen darüber mit Lorena Leuchtmann, Forschungsassistentin und Doktorandin am Lehrstuhl Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Kinder/Jugendliche und Paare/Familien bei Prof. Guy Bodenmann.
Eine Zusammenfassung:
Das Psychologische Institut der Universität Zürich hat unter der Leitung von Prof Guy Bodenmann drei Studien zum Thema „dyadic coping“ veröffentlicht. Sie eröffnen neue Aspekte für das Gelingen von Paarbeziehungen auch unter Stress. Der Begriff dyadisches Coping meint die gegenseitige Unterstützung in Partnerschaften in belastenden Situationen. Dabei geht es sowohl um die Stressäusserung des einen Partners als auch um die Reaktion des andern darauf.
Eine Metastudie hat jetzt bestätigt, dass sich Paare auch in Stresssituationen gegenseitig entlasten können, wenn sie dyadisches Coping praktizieren. Als Folge davon steigt die Partnerschaftszufriedenheit und das Risiko von Trennungen sinkt. Relevant ist dabei die gegenseitige emotionale Entlastung. Das Gefühl, dass der Andere mich versteht und dies auch ausdrückt. Sie ist sogar wichtiger als die sachliche Unterstützung, die sich auf die Behebung des Problems ausrichtet.
Eine weitere Studie hat sich darauf konzentriert, wie sich unterschiedliche „Liebesstile“ und dyadisches Coping miteinander vereinbaren lassen. Dabei zeigte sich, dass sowohl leidenschaftliche und romantische Liebe (Eros) und eine eher freundschaftliche Liebe gut mit dyadischem Coping verbinden lassen. Solche Paare unterstützen sich gut. Ein pragmatischer oder spielerischer Liebesstil tut sich da schwerer.
Eine dritte Studie wollte herausfinden, ob sich auch gläubige, religiöse Paare, die ihre Ehe als von Gott gestiftet sehen, in Krisen gut gegenseitig unterstützen. Das hat sich bestätigt. Solche Paare weisen in der Regel eine hohe Partnerschaftszufriedenheit auf.
Wenn beide Partner sich in Stresssituationen befinden, tun sie sich schwerer mit der gegenseitigen Unterstützung. Das gilt aber vor allem für Männer, während Frauen auch in solchen Phasen noch in der Lage sind, den Partner emotional abzuholen.
Das Interview:
Dyadisches Coping in Partnerschaften
Das Psychologische Institut der Universität Zürich hat drei Studien zum Thema „dyadic coping“ veröffentlicht. Sie eröffnen neue Aspekte für das Gelingen von Paarbeziehungen auch unter Stress. Wir sprachen darüber mit Lorena Leuchtmann, Forschungsassistentin und Doktorandin am Lehrstuhl Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Kinder/Jugendliche und Paare/Familien bei Prof. Guy Bodenmann.
Frau Leuchtmann, das Psychologische Institut der Universität Zürich hat drei Studien zum Thema „dyadic coping“ veröffentlicht. Können Sie kurz erklären, was „dyadisches Coping“ meint, und welcher Zusammenhang zwischen den drei Studien besteht?
Lorena Leuchtmann: Unter dyadischem Coping verstehen wir die gegenseitige Unterstützung in Partnerschaften in belastenden Situationen. Dyadisches Coping beinhaltet sowohl die Stressäusserung des einen Partners als auch die Reaktion des andern Partners darauf. Es ist ein zirkulärer Prozess, in den beide Partner einbezogen sind. Es geht um die Art, wie Stress geäussert wird und die Reaktion des Partners darauf. Ebenso um den gemeinsamen Umgang mit Stress.
Alle drei Studien untersuchen die Rolle von dyadischem Coping im Rahmen von Partnerschaften: Eine Studie untersucht den Zusammenhang zwischen dyadischem Coping und Partnerschaftszufriedenheit, eine weitere untersucht den Zusammenhang mit den sogenannten "Liebesstilen" und die dritte Studie untersucht, ob mehr dyadisches Coping stattfindet, wenn die eigene Ehe als heilig wahrgenommen wird.
Die erste Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen dyadischem Coping und Beziehungszufriedenheit. Wie lauten die Resultate?
Bei der ersten Studie zur Beziehungszufriedenheit handelt es sich um eine sogenannte Meta-Analyse. Sie fasst alle bisherigen Studien zu dyadischem Coping und Partnerschaftszufriedenheit zusammen und zeigt studienübergreifende Ergebnisse auf.* Die Meta-Analyse hat gezeigt, dass die Häufigkeit des positiven dyadischen Copings mit einer hohen Partnerschaftszufriedenheit zusammenhängt. D.h., wenn ich mich in der Partnerschaft häufig gut unterstützt fühle, bin damit ich auch zufriedener. Das bedeutet, meine Zufriedenheit mit der Partnerschaft hängt stark damit zusammen, wie ich mich in Stresszeiten durch meinen Partner unterstützt fühle. Die Rolle des Partners in Stresszeiten ist somit hoch relevant.
Bitte erklären Sie uns den Zusammenhang zwischen dyadischem Coping und Stress.
Es hat sich gezeigt, dass Stress einen negativen Einfluss auf die Partnerschaft hat, und dass dyadisches Coping diesen negativen Einfluss "puffern", d.h. abschwächen kann. Damit ist dyadisches Coping eine wichtige Ressource für eine gelingende Partnerschaft. Zum Beispiel kann Alltagsstress zu vermehrten Konflikten in der Partnerschaft führen. Bei gutem dyadischem Coping hingegen ist dieses "Überschwappen" von Alltagsstress auf die Partnerschaft weniger stark. Die gegenseitige Unterstützung ist damit ein zentrales Element für die Zufriedenheit in der Partnerschaft.
Besonders problematisch für die Partnerschaft ist chronischer Stress: Wenn ein Partner oder beide Partner im Alltag häufig gestresst sind, dann häufen sich auch die Tage, an denen Konflikte innerhalb der Partnerschaft auftreten. Diese Kumulation von Konflikten über eine längere Zeit führt zu einem Abfall der Partnerschaftszufriedenheit und kann in einer Trennung oder Scheidung enden. Dyadisches Coping kann diesem Prozess entgegenwirken.
Ergab die Studie noch andere interessante Resultate?
Ja, sie hat zum Beispiel gezeigt, dass es sehr relevant für die Partnerschaftszufriedenheit ist, wie sich die Partner unterstützt fühlen. Dies ist relevanter als die Art, wie die Partner glauben, einander zu unterstützen. Weiter gibt es positive und negative Formen der Unterstützung, wobei die Studie gezeigt hat, dass die positiven Formen wichtiger sind. Positive Formen sind zum Beispiel, der Partnerin aufmerksam zuzuhören und ihr zu signalisieren, dass man für sie da ist. Auch das Angebot, das Problem miteinander durchzugehen oder einen Ratschlag zu geben, gehört dazu. Negative Formen sind zum Beispiel, das Problem des Partners kleinzureden und ihm zu erklären, dass es doch gar nicht so schlimm sei und er überreagiere. So fühlt er sich nicht ernst genommen. Manchmal ist das gleiche Problem über längere Zeit ein Thema. Es kann passieren, dass man allmählich nur noch schwer Verständnis für den Anderen aufbringt und ihm dieses Gefühl auch vermittelt. Das ist eine weitere negative Form. Der gestresste Partner spürt dann vielleicht, dass man ihm die Unterstützung nur widerwillig gibt. Er nimmt vielleicht auch wahr, dass meine verbalen und nonverbalen Signale widersprüchlich sind und fühlt sich unverstanden.
Eine positive Unterstützung wäre in einem solchen Fall, dass ich nachfrage, weshalb das Problem für meine Partnerin nach wie vor wichtig ist. Ich könnte auch fragen, wie es ihr dabei geht. Vielleicht kann ich so ihre Gefühle besser nachvollziehen und dadurch auch mehr Verständnis aufbringen.
Wie können Partner nun konkret mit dyadischem Coping auf Stress reagieren?
*Dyadisches Coping fängt mit der Stressäusserung des einen Partners an. Stress kann auf unterschiedliche Arten geäussert werden: Ich kann sachlich erklären, was passiert ist oder schildern, was die Ereignisse in mir ausgelöst haben (emotionsbezogene Stressäusserung). Oder ich kommuniziere meinen Stress nonverbal, zum Beispiel durch lautes Ausschnaufen oder Seufzen. Auf diese Stressäusserungen können unterschiedliche Formen der Unterstützung folgen. Einerseits soll die Unterstützung den Stress minimieren, so dass es dem Partner besser geht. Das ist aber nur eine der Folgen. Indem er darauf eingeht, entsteht auch eine neue gegenseitige Nähe zwischen beiden. Die gestresste Partnerin fühlt sich angenommen und verstanden, und der unterstützende Partner versteht, was sie belastet und weshalb. So entsteht eine Nähe, welche die Partnerschaft weiterbringt.
Wie kann ich meine Partnerin unterstützen, wenn sie zum Beispiel beim Einkauf genau den wichtigsten Artikel vergessen hat und sich jetzt nervt?
Meistens reicht es in einem solchen Fall, wenn Sie zuhören und dann bestätigen, dass die Angelegenheit wirklich nervig ist.
Ist es nicht sinnvoll, wenn ich ihr anbiete, den vergessenen Artikel für sie einkaufen zu gehen?
Das wäre eine sachbezogene Unterstützung. Im ersten Fall wäre die Unterstützung emotionsbezogen, im letzten Fall sachbezogen, indem Sie das Problem lösen und es damit aus der Welt schaffen. Sachbezogene Unterstützung kann in gewissen Situationen durchaus sinnvoll sein, das ist sehr individuell. Aber es ist auch in solchen Fällen günstig, wenn er zuerst Verständnis für ihren Stress aufbringt. Oft ist dann die sachbezogene Unterstützung gar nicht mehr nötig. Wenn die sachbezogene Unterstützung zu früh kommt, fühlt sich die Partnerin in ihren Emotionen nicht abgeholt. Denn es ist die emotionale Unterstützung, die Nähe schafft.
Durch unsere Forschung hat vor allem dieser Punkt an Gewicht gewonnen. Die emotionale Begegnung ist entscheidend. Stress ist für jeden Menschen eine sehr individuelle Angelegenheit. In der Partnerschaft ist es wichtig zu verstehen, was den Anderen stresst und was er in ihm oder ihr auslöst. Nähe zwischen den Partnern entsteht erst, wenn dieser dyadische Prozess gelingt. Es geht um die emotionale Begegnung und nicht primär darum, dass ich dem Partner seine Probleme löse und ihn von Lasten befreie.
Eine zweite Studie hat auch love styles in die Untersuchung einbezogen. Welche „Liebesstile“ unterscheiden Sie?
Ein Liebesstil bezeichnet, was ich in der Partnerschaft unter Liebe verstehe, wie ich Liebe definiere, reflektiert also meine Einstellung zur Liebe. Wir unterscheiden sechs Liebesstile: Eros, Storge, Agape, Ludus, Pragma und Mania. Unter Eros verstehen wir die romantische Liebe. Die physische Anziehung ist stark und wichtig, die Liebe ist geprägt von Leidenschaft. Man glaubt, die "wahre Liebe" gefunden zu haben und fühlt sich dem Anderen emotional stark verbunden. Die freundschaftliche Liebe (Storge) ist eine Einstellung zur Liebe, in der die Vertrautheit, die freundschaftliche Verbundenheit und Nähe sehr wichtig sind. Bei der altruistischen Liebe (agape) sind vor allem die Bedürfnisse des Partners wichtig. Bei der spielerischen Liebe (ludus) steht der spielerische Aspekt im Vordergrund. Man betrachtet die Liebe als weniger verbindlich und kann auch gleichzeitig mehrere Partner haben, ohne dass die jeweiligen Partner voneinander wissen. Personen mit einer spielerischen Einstellung zur Liebe sind der Ansicht, dass die aktuelle Partnerin – oder der Partner – über bisherige Liebesbeziehungen und Fehltritte nicht Bescheid wissen muss.
Personen mit einer pragmatischen Einstellung zur Liebe (Pragma) überlegen sich, welche Folgen das Eingehen der Beziehung hat. Sie überlegen zum Beispiel, wie seine gesellschaftliche Stellung und sein familiäres Umfeld zu den eigenen Zukunftsplänen passen. Das Abwägen dieser Faktoren soll eine dauerhafte und nachhaltige Beziehung sichern. Solche Überlegungen werden aber vorwiegend bei arrangierten Ehen gemacht.
Eine Person mit dem Liebesstil Mania, der besitzergreifenden Liebe, sucht häufig die Beachtung des Partners. Sie hat das Gefühl, ohne ihn nicht leben zu können. Sie tut manchmal auch unüberlegte Dinge, nur um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
Welchen Einfluss haben die Liebesstile auf das dyadische Coping?
Eros und Agape sind mit dyadischem Coping und Partnerschaftszufriedenheit assoziiert. Paare mit diesen Liebesstilen unterstützen sich gegenseitig besser und weisen eine höhere Partnerschaftszufriedenheit auf. Ludus, die spielerische Einstellung zur Liebe, ist mit geringerer gegenseitiger Unterstützung assoziiert. Dieser negative Effekt findet sich jedoch hauptsächlich bei Frauen. Ist bei den Männern der Liebesstil Ludus stärker ausgeprägt, hängt dies kaum mit geringerem dyadischem Coping und geringerer Beziehungszufriedenheit zusammen. Die Autoren erklären dies damit, dass Ludus bei Männern eher akzeptiert wird als wenn Frauen ihn praktizieren.
Die dritte Studie befasst sich mit Religion und Glaube als Faktoren der Partnerschaftszufriedenheit. Wie wirken sie sich auf Partnerschaften aus?
Hier geht es um die "sanctification" der Ehe. Gemeint ist damit das Gefühl, dass die Ehe von Gott mitbestimmt und damit heilig ist, dass Gott bei der Entstehung der Ehe eine Rolle gespielt und die Partner zusammengeführt hat. Es geht also um die gläubige, spirituelle Komponente. Solche Paare sind zufriedener in ihrer Beziehung und unterstützen sich besser. Eine mögliche Erklärung dafür ist: Weil diese Paare ihre Ehe als heilig wahrnehmen, unterstützen sie sich in schwierigen Zeiten häufiger und besser und sind deshalb zufriedener.
Wie bringen Sie die Erkenntnisse rund um das dyadische Coping unter die Leute?
Professor Guy Bodenmann ist diesbezüglich sehr aktiv. Er hat Bücher verfasst, Kurse entwickelt und hält häufig Vorträge darüber. Ganz neu hat er auch eine Broschüre geschrieben, die künftig auf Standesämtern im Kanton Bern allen Neuvermählten abgegeben werden soll und Informationen enthält, wie diese Ihre Ehe pflegen und schützen können. Sie enthält neben den präventiven Angeboten unseres Instituts direkte inhaltliche Anregungen zur Partnerschaftspflege. Sie betont zum Beispiel, dass es wichtig ist, sich in der Partnerschaft immer wieder im persönlichen Gespräch zu begegnen. Viele Ehepaare tun dies anfänglich häufig und gut, aber mit der Zeit schleicht sich der Alltag mit seinen Lasten und Problemen ein, oft auch wenn das erste Kind kommt – und die Partnerschaftsbeziehung flacht ab. Wenn dann beide häufig gestresst sind, ist die Beziehung gefährdet. Und gerade dann ist das dyadische Coping ganz wichtig.
Auch wenn beide Partner gestresst sind?
Dann wird es besonders schwierig, da beide Partner aufgrund ihres eigenen Stresses weniger Energie haben, den Anderen zu unterstützen. Hier gibt es Hinweise für eine geschlechtsspezifische Erscheinung. Eine Studie hat gezeigt, dass gestresste Frauen besser als gestresste Männer in der Lage sind, dyadisches Coping zu pflegen. Sie können ihren Partner auch dann noch emotional unterstützen, wenn sie selber gestresst sind, während bei Männern diese Fähigkeit unter Stress einbricht.
Infos zu Prof. Guy Bodenmann
(Anm.)
* Die Meta-Analyse liefert Aussagen, die übergreifend verschiedene Bedingungen und Länder, in denen die Studien stattgefunden haben, erfasst. So werden stärkere Aussagen möglich, als sie eine einzelne Studie liefern kann. Die meisten Studien basieren auf ca. 70 – 200 Paaren. In einer Meta-Analyse hingegen werden die Daten von viel mehr Personen berücksichtigt, sodass zuverlässigere Aussagen möglich werden.
Lorena Leuchtmann, *1990, hat 2014 mit einem Master of Science in Psychologie, Schwerpunkt klinische Psychologie, an der Universität Zürich, abgeschlossen. Aktuell ist sie Forschungsassistentin und Doktorandin am Lehrstuhl Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Kinder/Jugendliche und Paare/Familien bei Prof Guy Bodenmann. Die ausgebildete paarlife-Trainerin ist auch präventiv im Bereich Partnerschaften aktiv.