Ein Redaktor – eine berufstätige Mutter – drei Kinder. Wie geht das? Der abtretende Blattmacher der Nordwestschweiz, Giery Cavelti, interviewt seine Frau Sibylle Stillhart, Journalistin und Buchautorin. Sie stellt knallharte Forderungen an die Schweizer Politik.
(SSF/im.) Die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Beruf ist ein Dauerbrenner an Familienkonferenzen. Das Thema ist noch brisanter geworden, seitdem die Wirtschaft die letzten verbliebenen Frauen am Herd an die Kandarre nehmen will. Wer sich, gut ausgebildet, dem Ruf ins Büro, das Krankenbett oder das Labor, widersetzt, muss sich rechtfertigen.
Giery Cavelti und Sybille Stillhart können kaum als traditionell-konservatives Paar bezeichnet werden. Auch wenn sie verheiratet sind, drei Kinder haben und die Mutter vorwiegend die Familienarbeit verrichtet, während der Vater oft lange in der Redaktion arbeitete. Doch in einem Punkt teilt sie die Klage vieler traditioneller Familienfrauen: „In unserer Leistungsgesellschaft zählt nicht, was eine Mutter – oder in wenigen Fällen ein Vater – leistet. Haushalt? Das gilt nicht als Arbeit.“
Vereinbar – wie bitte?
Sie hinterfragt die allgemein verbreitete Ansicht, Familienarbeit und Erwerbsarbeit liessen sich mit gutem Willen vereinbaren. Und sie kritisiert die Wirtschaft, welche behaupte, ihr sei die Vereinbarkeit sehr wichtig. Sybille Stillhart vermisst den Tatbeweis. Ihr selbst ist der Spagat zwar gelungen, weil sie nach der Geburt des zweiten Kindes nicht mehr als Angestellte, sondern als freie Journalistin und Buchautorin arbeitet. Ohne diese Lösung hätte es kein drittes Kind gegeben, sagt sie.
Auch in der Politik vermisst sie den Tatbeweis. Familienpolitik sei im Schweizer Parlament die Sache einiger linker Politikerinnen, die sich aber nicht durchsetzen können. Das Parlament hat aber die Weichen längst so gestellt, dass Familienfrauen nach einer Scheidung finanzielle Probleme haben und nach der Pensionierung keine ausreichende Rente zur Verfügung steht.
Bezahlte = wertgeschätzte Arbeit
Die Hauptforderungen von Stillhart lauten daher: Familien- und Carearbeit muss von der Gesellschaft bezahlt werden. Erst dann wird ihr auch ein echter Wert zugesprochen. Und: Die Arbeitszeiten müssen kürzer – und effizienter – werden, damit mehr Zeit für die Familie bleibt. Und sie fordert in einer echten gleichberechtigten Gesellschaft, dass Familien die Wahl haben, ihr Lebens- und Betreuungsmodell frei zu wählen.
Sie ist sich dabei bewusst, dass besonders dort, wo Kosten anfallen, ihre Ideen bis auf Weiteres eine Utopie bleiben werden.
Giery Cavelty beendete jetzt seine journalistische Karriere und ist neu Informationschef beim Staatssekretariat für Migration (SEM). Vielleicht lässt ihm das bald mehr Zeit für die Familie.