Oder: Der Berg ist daran, eine Maus zu gebären
Drei Varianten für einen Vaterschaftsurlaub oder Elternzeit stehen im Raum. Die Chance ist da, dass der Berg eine Maus gebären könnte. Einmal mehr geht es ums Geld: Wie viel darf die Zukunft die Schweizer Gesellschaft kosten?
Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) hat einen für die Schweiz revolutionären Vorschlag gemacht: eine bezahlte Elternzeit, die sich Vater und Mutter nach der Geburt eines Kindes teilen. Am 20. August 2018 hat sie eine Analyse der Ergebnisse von rund 140 wissenschaftlichen Studien veröffentlicht, die ihre Forderung stützen. Die EKFF folgert daraus, dass von einer grosszügigen Elternzeit nicht nur die Schweiz als Land, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger in erheblichen Masse profitieren könnten. Acht Wochen wären dabei den Vätern vorbehalten. In einer Pressemitteilung anlässlich der aktuellen Vernehmlassung hat sie ihre Position nun erneut bestärkt.
Elternzeit zum Nutzen aller
Eine Elternzeit wäre laut der EKFF für die frischgebackenen Eltern und das Neugeborene, aber auch für Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt von Vorteil. Sie würde nicht nur die Rahmenbedingungen für den hohen Anteil an qualifizierten Frauen, die Kinder haben möchten, verbessern. Auch die Unternehmen würden von der Produktivität der angestellten Väter und Mütter profitieren. Zudem würde deren Unternehmenstreue steigen, wodurch die Rekrutierungskosten sinken.
Gestützt auf die Analyse der neu veröffentlichten Studien hat die EKFF ein Argumentarium für die Einführung einer 38-wöchigen Elternzeit veröffentlicht, die auch den heute 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub umfasst. Für die Schweiz wirkt eine 38-wöchige Elternzeit visionär, läge aber im Vergleich zu andern Ländern innerhalb der OECD im Mittelfeld.
Im Juni 2017 war die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub - zum Nutzen der ganzen Familie» eingereicht worden. Urheber sind die Organisationen Travail.Suisse, männer.ch, Alliance F und Pro Familia Schweiz. Sie verlangt vier Wochen Vaterschaftsurlaub, was schon dem Bundesrat zu teuer ist.
Das Gerangel um den kleinsten gemeinsamen Nenner
Die Sozialkommission des Ständerats hat zwei Modelle des Vaterschaftsurlaubs diskutiert, die als indirekte Gegenentwürfe zur Volksinitiative für einen Vaterschaftsurlaub dienen sollten. Einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen, finanziert wie der Mutterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung. Diesen Vorschlag hatte der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas schon einmal aufs politische Parkett gebracht. Er scheiterte jedoch vor zwei Jahren in der grossen Kammer und führte zur Lancierung der Volksinitiative für vier Wochen Vaterschaftsurlaub.
Die zweite Idee beinhaltete einen Elternurlaub von 16 Wochen, wovon mindestens acht Wochen für die Mutter reserviert wären. Können sich die beiden Elternteile nicht einigen, erhielte die Mutter 14 Wochen Urlaub, der Vater zwei Wochen.
Die Maus, die der Berg gebären könnte
Daraus ist schliesslich ein indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative geworden, der einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub vorsehen würde. Sozusagen als kleinster gemeinsamer Nenner des Parlaments. In der Vernehmlassung dazu antwortete die EKFF ganz pragmatisch, sie würde diesen unterstützen, auch wenn sie überzeugt sei, dass die Schweiz längerfristig eine Elternzeit von 38 Wochen brauche. Für grössere Reformen braucht die Schweizer Politik halt meistens Jahrzehnte.
Die Schweizerische Stiftung für die Familie (SSF) unterstützt den Vorschlag der EKFF: «Die aktuelle Diskussion um den Vaterschaftsurlaub ist zu wenig zielführend, denn es geht nicht nur um einen vermeintlich kostspieligen Urlaub. Frisch gebackene Eltern benötigen ausreichend gemeinsame Zeit als Familie, um sich auf die neue Situation einstellen zu können und um aufgleisen zu können, wie Erziehung, Betreuung und Erwerbstätigkeit zukünftig zum Wohl der Familie gemanagt werden kann. Wir sind überzeugt, dass sich eine Elternzeit für alle Beteiligten rechnet. Für die Eltern, die Familie, die Wirtschaft und nicht zuletzt für die Kinder, welche unsere Zukunft sind».