Die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert forscht seit Jahrzehnten intensiv zum Thema Vaterschaft. Mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und der Schweiz hat sie ein europaweites Forschungsnetzwerk aufgebaut.
Soeben hat die emeritierte Professorin ihr neuestes Buch veröffentlicht: „Auf die Väter kommt es an“, so der Titel. Und schon gleich ist es im deutschsprachigen Raum in aller Munde. Der Tagesanzeiger (und viele andere Medien) hat unlängst darüber berichtet.
Das Buch rückt die Rolle der Väter für einmal in den Blickpunkt, und das ist gut so! Wer sich intensiv mit Familie beschäftigt, merkt nämlich recht schnell, dass in Gesellschaft, Medien und Politik Familie Frauensache zu sein scheint. Und genau hier liefert Ahnert wertvolle Erkenntnisse aus der Forschung.
Die nämlich „wichtigste Erkenntnis der aktuellen Väterforschung“ ist, dass die Paarbeziehung umso besser ist, je mehr sich Väter in der Elternschaft einbringen.
Allgemein ist ein gutes Familienklima (auch zu den Grosseltern) Voraussetzung dafür, dass Väter sich engagieren und die Beziehung zu den Kindern gut ist. Ahnert empfiehlt deshalb, die Beziehung der Eltern untereinander zu pflegen und laufend zu prüfen.
Monogamie ist das dominante Paarungsmuster unter den Menschen, denn sie bringt für alle Seiten Sicherheit. Deshalb zeigt die internationale Forschung auch, dass lediglich 0,9 bis 1,2 Prozent der Kinder ausserhalb einer Partnerschaft gezeugt wurden.
Eine spannende Erkenntnis der modernen Väterentwicklung ist die, dass zehn Prozent der Väter beim Erlebnis der Geburt posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln, weil es für sie schwierig ist, ihre Partnerin leiden sehen.
Anspruch und Wirklichkeit liegen laut Ahnert „eklatant“ auseinander. Generell wollen sich Männer vor der ersten Vaterschaft stark um Kind und Haushalt kümmern, jedoch sinkt die Beziehungszufriedenheit mit dem ersten Kind signifikant. Der Vater zieht sich dadurch verstärkt zurück, flüchtet sich in andere Beziehungen oder und vor allem in verstärkte Erwerbstätigkeit. Der „moderne Teilzeit-Vater“ ist vielfach noch ein Wunschgedanke. Dabei ist es so wichtig, dass Väter ihre Rolle aktiv einnehmen, denn
Väter spielen unterschiedlich mit den Kindern. Dies fördert zuweilen die Sprachentwicklung und vermittelt den Kindern wichtige Impulse.
Väter ringen auf ihre Weise mit der Spannung zwischen Erwerbs- und Familienzeit. Es ist laut Ahnert vor allem die Spannung, sich nicht nur FÜR die Familie, sondern auch IN der Familie einzusetzen. Dabei sind sie „viel zu selten bereit, sich und anderen einzugestehen, dass sie im Alltag zwischen Beruf und Familie an ihre Grenzen kommen“. Jüngste Zahlen aus Deutschland zeigen, dass Eltern sich mehrheitlich überfordert fühlen.
Mangelnde Elternschaft hemmt die Kompetenzentwicklung der Väter und macht diese Spannung nicht einfacher. Dabei zeigen aktuelle Studien, dass Elternschaft eine wesentliche und wichtige Rolle für die Kompetenzentwicklung auch in der Erwerbstätigkeit spielt – wenn den Vätern (und Müttern) die dafür notwendigen Freiräume geschaffen werden.
Unser Fazit: Vaterschaft und in diesem Zusammenhang Elternschaft muss ganz neu in den gesellschaftlichen Diskurs einfliessen, und es braucht eine Haltung in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, welche Väter auch Väter sein lässt und Eltern ermöglicht, ihre Elternschaft mit weniger Druck auszuüben. Wir laufen sonst Gefahr, dass wir für uns alle, vor allem aber für unsere Kinder, wertvolle Impulse verlieren.
Das Buch von Lieselotte Ahnert ist im Buchhandel erhältlich: Ullstein-Verlag, Berlin 2023. Es kostet um die 29 Franken.
Hier geht’s zum ausführlichen Artikel im Tagesanzeiger: https://www.tagesanzeiger.ch/was-macht-gute-vaeter-aus-wenig-testosteron-zum-beispiel-375433861011
