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«Bei den Glücklichen veränderte sich wenig ...»

Interview mit Prof. Guy Bodenmann


Prof. Guy Bodenmann, Ihr Institut hat die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf Familien mit international durchgeführten Studien erforscht. Welches ist das auffälligste Resultat dieser Studien?


In 18 von 27 Ländern wurde ein höheres Stresserleben als vor Corona berichtet. Interessant war nun, dass in Ländern mit sehr hoher Covid-19-Stressbelastung keine wesentlichen Veränderungen in der Beziehungszufriedenheit festzustellen war. Dagegen fanden wir beispielsweise in Italien, wo die Teilnehmenden den durch Corona erlebten Stress als eher gering einstuften – was erstaunlich ist angesichts der dortigen Lage im letzten Jahr – gleichzeitig die stärksten negativen Effekte zwischen Stress und Beziehungszufriedenheit zu beobachten waren.


Können Sie das noch ein wenig erläutern?


Die italienische Stichprobe gab insgesamt einen geringen Stress im Zusammenhang mit Covid-19-Pandemie an. Doch der erlebte Stress korrelierte signifikant negativ mit der Beziehungszufriedenheit und dies stärker als bei anderen Nationen, mitunter solchen, welche sehr viele höhere Belastungswerte angegeben hatten.



Gibt es Paare, die trotz den Einschränkungen durch die Pandemie stärker geworden sind?


Ja, es zeigte sich deutlich, dass die Paare mit hohen Kompetenzen in der gemeinsamen Stressbewältigung den Lockdown vor einem Jahr ohne Schaden überstanden haben. Diejenigen mit geringen Ressourcen zeigten eine deutliche Abnahme in ihrer Beziehungszufriedenheit. Vereinzelt kam es auch zu Zunahmen, d.h. bei den Glücklichen veränderte sich wenig, bei den unglücklichen Paaren gab es zwei Verläufe: die einen wurden noch unglücklicher, andere nutzten die Krise, um ihre Beziehung wieder ins Lot zu bringen.


Auf welche Ressourcen können Familien in solchen Krisen zurückgreifen?


Am wichtigsten erwiesen sich die Kommunikationskultur, die gemeinsame Stressbewältigung als Paar sowie ihre Bindungssicherheit, also die emotionale Sicherheit, welche man in der Partnerschaft erfährt, das heisst wie sehr man sich in dieser Beziehung emotional wohl fühlt, Vertrauen empfindet und sich einlassen kann.



Sind dauerhafte Veränderungen in starken wie auch in problembelasteten Familien schon absehbar?


Nein, nicht in einem klaren, für alle geltenden Trend. Aufgrund von früheren Studien bei sogenannten Makrostressoren (wie die aktuelle Pandemie, Unwetterkatastrophen etc.) findet man zuerst eine Zunahme der Kohäsion. Die Paare rücken zusammen, besinnen sich wieder auf ihre Stärken und versuchen, die Krise gemeinsam durchzustehen. Erst nach dem Ende der Krise kommt es zu grösseren Veränderungen, d.h. die Trennungsrate könnte danach ansteigen.





 


Prof. Dr. Guy Bodenmann ist Professor für Klinische Psychologie an der Universität Zürich mit Schwerpunkt Kinder/Jugendliche und Paare/Familien. Der von ihm entwickelte Paarlife-Kurs ist ein international bekanntes Präventionsprogramm für Paare, welches aufzeigt, wie Paare ihre Liebe pflegen und ihre Kompetenzen stärken können (www.paarlife.ch). Er ist Ausbildner und Supervisor von Paartherapeuten. Zudem leitet er die Praxisstelle für Paartherapie und die Praxisstelle für Kinder- und Jugendpsychotherapie am Psychotherapeutischen Zentrum der Universität Zürich. Als Forscher engagiert er sich dafür, wissenschaftliche Erkenntnisse in einer gut verständlichen Sprache der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Ein gutes Beispiel ist das Buch «Was Paare stark macht», das er gemeinsam mit Caroline Fux geschrieben hat.






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