Die Pandemiezeit hat laut einer ZHAW-Studie zu einer Verbesserung der Medienkompetenz von Eltern und Jugendlichen geführt. Nach welchen Werten Eltern Medienerziehung betreiben können, beantwortet die Studie nicht. Dazu äusserte sich aber kürzlich der Erziehungswissenschaftler Benedict Hoyer.
Familien haben im Frühling 2020 mehr Zeit online verbracht und ihre digitalen Kompetenzen verbessert, stellt das Departement Angewandte Psychologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) fest. Es hat in Kooperation mit Jugend und Medien des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) eine Studie erstellt. Diese kommt zum Schluss, dass einerseits Kinder und Jugendliche häufiger Falschmeldungen oder Hassreden begegneten. Andererseits hätten Eltern ihre Medienerziehung intensiviert.
Der Covid19-bedingte Lockdown im Frühling 2020 hat laut der Studie «den Alltag vieler Familien in der Schweiz auf den Kopf gestellt». Die neue Situation veränderte auch das Medienverhalten. Die Familien verbrachten deutlich mehr Zeit mit digitalen Medien und im Internet als in der Zeit vor dem Lockdown. Besonders intensiviert habe sich dabei die Kommunikation über digitale Medien.
Herausfordernde Mediennutzung
Für viele Kinder und Jugendliche sei es herausfordernd gewesen, ihre Mediennutzung massvoll zu gestalten. 41 Prozent hätten häufiger als vor dem Lockdown das Gefühl, zu viel Zeit mit digitalen Medien zu verbringen. Aber auch die Eltern nutzten digitale Medien häufiger als vor der Pandemie, insbesondere jene, die auf Homeoffice umstellen mussten. Aber auch für die persönliche Information, soziale Kontakte oder das Online-Shopping hätten sie mehr Zeit mit digitalen Medien verbracht. Sie geben an, dabei ihre digitale Kompetenz verbessert zu haben. Das gelte auch für ihre Kinder.
Viele Eltern machen sich Sorgen
Zwei Fünftel der Eltern machten sich dennoch Sorgen, dass ihre Kinder bestimmten Online- Risiken verstärkt ausgesetzt sein könnten. Die vorherrschenden Themen waren dabei «Fake News», Cybermobbing und eine zu intensive Mediennutzung. Auf Seiten der Kinder und Jugendlichen nahmen 31 Prozent einen Zuwachs an Falschmeldungen wahr und rund ein Viertel stiess während des Lockdowns vermehrt auf Hassreden. Von Erfahrungen mit Cybermobbing, Missbrauch von persönlichen Daten oder Kontakt mit unangebrachten Inhalten berichteten 10 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen. Ein Drittel hat häufiger als zuvor erfolglos versucht, weniger Zeit im Internet zu verbringen. Wie weit Jugendliche dabei mit Gewalt und Pornografie konfrontiert waren, hat die Studie offenbar nicht erfasst.
Eltern verstärkten Medienerziehung
Positiv vermerkt der Studienbericht, dass viele Eltern als Reaktion auf die verstärkte Mediennutzung und den veränderten Familienalltag ihre Medienerziehungsmassnahmen intensivierten. 44 Prozent der Eltern hätten sich häufiger als vor dem Lockdown dafür interessiert, was ihr Kind online macht. Über ein Drittel der Eltern erklärten dem Kind häufiger als vorher, warum manche Internetseiten unangemessen sind. Und ein Drittel der Eltern verstärkte die Kontrolle der digitalen Aktivitäten der Kinder und kontrollierte zum Beispiel den Browserverlauf. «Da Kinder und Eltern vermehrt Zeit zuhause verbrachten, gab es auch mehr Raum für medienerzieherische Massnahmen», sagt ZHAW-Forscher Gregor Waller, der die Studie zusammen mit seinem Team durchführte. Dabei hätten auch die Väter verstärkt mitgewirkt, da sie mehr zuhause waren.
Medienerziehung setzt Werte voraus
Nach welchen Prinzipien und Werten Eltern Medienerziehung betreiben, beantwortet die Studie nicht. Dazu hat sich kürzlich der Soziologe, Erziehungswissenschaftler und Geschäftsführer der SimpleX Akademie, Benedict Hoyer, geäussert. Er rät Eltern in einem Artikel des«Neues Leben Magazin», sich zusammen mit den Kindern moralische Werthaltungen zu erarbeiten, um sie vor negativen Inhalten zu schützen. Das setze auch die Beschäftigung mit positiven Medien voraus.
Das Recht auf entwicklungsförderliche Medien
Hoyer macht darauf aufmerksam, dass laut der UN-Kinderrechtskonvention Kinder ein Recht auf entwicklungsförderliche Medien haben! Hoyer wörtlich: «Sie sollen Anregungen zur Auseinandersetzung mit Wertfragen enthalten und damit die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit fördern.» Sein Appell an Eltern lautet daher: «Medienmündige Menschen können wertegeleitet Kultur in digitalen Räumen prägen, ihren Kindern helfen, selbstbestimmt diese Medien zu nutzen und ihnen die Chancen dieser Kanäle erschliessen.» Denn: «Medienkompetenz ist die Schlüsselkompetenz unserer Zeit.»
Links zum Artikel:
www.zhaw.ch/psychologie/kidicoti
www.jugendundmedien.ch
https://neues-leben.de/angebote/medien/magazin/magazin-sommer-2021/medien-kompetent-nutzen/
photo: (c) unsplash, Chris Boese