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Der «Family Global Compact» – Eine Kultur der Familie fördern

Während sich Politik und Medien vor allem um gesellschaftliche Minderheiten kümmern, lancierte Papst Franziskus am 30. Mai einen Aufruf, die Familie neu in den Fokus zu stellen. Denn, so Franziskus: «Das Wohl der Familie ist entscheidend für die Zukunft der Welt und der Kirche.»


Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche sieht die Lebensform der Familie grundsätzlich in Gefahr. Die katholische Kirche dürfe sich nicht damit abfinden, dass die Familie im Zuge von Ungewissheit, Individualismus und Konsumdenken zugrunde gehe, schreibt das Kirchenoberhaupt in einer Botschaft.


Eine Gemeinschaft des Lebens und der Liebe

Franziskus betont dabei, die Familie sei «eine Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, …, ein Ort der Begegnung der Generationen, die Hoffnung der Gesellschaft». Sie schaffe Gemeinwohl, weil sie einen Reichtum für Kirche und Gesellschaft darstelle.

Franziskus äusserte sich damit zum Start des Aktionsprogramms «Family Global Compact», mit dem der Vatikan Studien über das Thema Familie an den katholischen Universitäten weltweit fördern will. Der Papst macht sich damit zum Sprecher einer vielfach stillen gesellschaftlichen Mehrheit, die kaum noch Sprachrohre und politische Lobby hat.


Mangelnde Unterstützung durch die Gesellschaft

Von den Forschungsergebnissen soll auch die Seelsorge in Gemeinden profitieren. Ein weiteres Ziel sei die Förderung einer «Kultur der Familie», um Vorschläge für die Politik zu formulieren, heisst es in der Papst-Botschaft. Den katholischen Universitäten komme dabei die Aufgabe zu, vertiefte theologische, philosophische, juristische, soziologische und wirtschaftliche Analysen von Ehe und Familie zu entwickeln, um deren wirkliche Bedeutung in den zeitgenössischen Denk- und Handlungssystemen zu stützen. Die durchgeführten Studien sollen zeigen, dass die familiären Beziehungen in einem Kontext der Krise stehen, der sowohl durch kontingente Schwierigkeiten als auch durch strukturelle Hindernisse genährt wird. Die mangelnde Unterstützung durch die Gesellschaft erschwere wiederum eine unbeschwerte Familiengründung.


Die wichtigste Quelle sozialen Lebens

Das sei mit ein Grund dafür, dass viele junge Menschen die Ehe ablehnen und sich für unbeständigere und unverbindlichere Formen von affektiven Beziehungen entscheiden. Die bisherigen Studien zeigten aber auch, dass die Familie nach wie vor die wichtigste Quelle sozialen Lebens sei und dass es bewährte Praktiken gebe, die es verdienen, auf globaler Ebene geteilt und verbreitet zu werden. «In diesem Sinne können und müssen die Familien selbst Zeugen und Protagonisten dieses Prozesses sein», so Franziskus.


Familie heute im Verständnis von Meinungsführern

Der gesellschaftliche Hintergrund, vor dem Papst Franziskus den Family Global Compact lanciert, wird ersichtlich, wenn man zum Beispiel einen Blick in Artikel zur Familie in der NZZ wirft, die durchaus die Intention des aktuelle Aufrufs von Franziskus stützen.

In einem Autorenbeitrag hat sich zum Beispiel der Philosoph Hans Ulrich Gumbrecht, emeritierter Albert-Guérard-Professor für Literatur an der Stanford University und Professor für romanische Literatur an der Hebrew University of Jerusalem, geäussert. Er stellt die Veränderungen in der westlichen Welt fest, sieht sie aber auch kritisch, wenn er zum Beispiel schreibt: «Das klassische Familienmodell und die Blutsverwandtschaft verlieren an Bedeutung. Sie stehen dem Bedürfnis nach individueller Freiheit im Weg. Die Konsequenz ist Instabilität.» Die Blutsverwandtschaft habe an Bedeutung verloren. «Zum beliebten Normalfall» sei dagegen die sogenannte Patchworkfamilie geworden, in denen Eltern als mittelfristige «Lebensabschnittspartner» miteinander verbunden seien.

In der unendlichen Plastizität neuer Familienformen seien dabei individueller Freiheit kaum noch Grenzen gesetzt. Dies bedeute aber auch, dass Gemeinsamkeit und Identität erst entdeckt und entwickelt werden müssten. «Musikalische Praxis, Sportbegeisterung, Reiselust, Engagement für politische Positionen oder kulinarische Faszination können diese Funktion erfüllen, je mehr Ebenen von Konvergenz, desto vielfältiger und intensiver die Höhepunkte des Familienlebens.» Dieses sei eher von Zugewandtheit als von Freundschaft bestimmt. Man liebe zum Beispiel seine Grossmutter nicht mehr als Vorfahrin, sondern weil sie die eigene Begeisterung für klassische Musik teile.


Alte Familienformen sind stabiler

Zumindest für die westlichen Kulturen belegten einschlägige Statistiken jedoch, dass «die flexiblen Familienmedien von Identität nie die Stabilitätswirkung der Blutsverwandtschaft erreicht haben». Zugleich steige die Zahl der Einpersonenhaushalte beständig. In der Schweiz machen sie inzwischen einen Drittel aller Privathaushalte aus.


Walter Hollstein ist emeritierter Professor für politische Soziologie und Gutachter des Europarates für Männerfragen. Er analysiert in der NZZ vom 8.2.2018 den Zustand der Familie so: «Angesichts des steten Stroms von Nachrichten über Trennungen und Scheidungen, Familienkonflikte und Familiendramen könnte man glauben, es gehe mit der Familie stetig bergab.» Doch etwas Entscheidendes spreche dagegen. Diese Lebensform bleibe in Bezug auf Fürsorge, Stabilität und Glück schlicht unentbehrlich. Die Familie sei kein Patient, wie es der Psychoanalytiker Eberhard Richter 1971 formuliert habe. Er habe die Familie deswegen nicht abschaffen wollen, wie es die 68er Bewegung verstanden habe, sondern «kranke» Familien heilen wollen. Und das habe auch gute Gründe. Hollstein zitiert dazu die Sozialwissenschafter Andreas Lange und Kurt Lüscher mit den Worten: «Die Familie ist der bevorzugte Ort der Entstehung von Humanvermögen.»


Eine Neubewertung der Rolle der Familie

Ein signifikantes Beispiel für die Rückbesinnung auf die Familie sei auch die Neubewertung des englischen Psychologen John Bowlby (1907–1990), die heute wieder als hoch aktuell gelte. Die mütterliche Fürsorge, so Bowlby, die ein Kind in den ersten Lebensjahren empfange, sei für seine spätere psychische Stabilität prägend.


Es scheint somit genügend gute Gründe zu geben, sich auf den «Family Global Compact» einzulassen.




 


Hintergrund "Family Global Compact"


Der Family Global Compact ist als Weg mit vier Etappen gegliedert:


  1. Die Eröffnung eines Prozesses des Dialogs und der verstärkten Zusammenarbeit zwischen den universitären Studien- und Forschungszentren, die sich mit Familienfragen befassen mit dem Ziel, ihre Tätigkeit fruchtbarer zu machen, insbesondere durch die Schaffung oder Wiederbelebung von Netzwerken universitärer Einrichtungen, die sich an der Soziallehre der Kirche orientieren.

  2. Die Schaffung einer grösseren Synergie zwischen den christlichen Gemeinschaften und den katholischen Universitäten in Bezug auf Inhalt und Ziele.

  3. Die Förderung einer Kultur der Familie und des Lebens in der Gesellschaft, damit nützliche Vorschläge und Ziele für die öffentliche Politik formuliert werden können.

  4. Die Zusammenführung und Weiterführung der erarbeiteten Vorschläge, so dass der Dienst an der Familie in geistlicher, pastoraler, kultureller, rechtlicher, politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht bereichert und gefördert wird.


Bild: www.vaticannews.va


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