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Zürcher Elternzeitmodell klar abgelehnt

Am vergangenen Sonntag stimmte der Kanton Zürich nicht nur über diverse nationale Vorlagen ab, sondern auch über eine kantonale «Elternzeit». So einfach gestrickt und überraschend wie der Vorschlag kam, so klar und deutlich wurde er vom Stimmvolk abgelehnt, mit einem Mehr von 64,8 Prozent.


Die Schweizerische Stiftung für die Familie hat sich stets und frühzeitig für die Einführung einer Elternzeit eingesetzt, den Zürcher Vorstoss im Alleingang hingegen nicht unterstützt. Dies mit guten Gründen:


1. Er wurde zum falschen Zeitpunkt lanciert

Nach langen Debatten rund um das Thema Vaterschaftsurlaub und dem letztendlich erfolgreichen Kompromissvorschlag von zwei Wochen war gerade mal vor einem guten Jahr ein Meilenstein für eine bessere Vereinbarkeit gelungen, wenn dieser auch unter falschem Titel («Urlaub») und sehr mager daher kam. Diesen Erfolg gilt es zunächst zu feiern, aber auch zu evaluieren. Alleine aus sozioökonomischer Sicht ist dies ein Gebot der Stunde.

Weiterhin ist ein solch kostspieliges Projekt nach zwei Jahren Pandemie dem hiesigen Gewerbe nur sehr schwer beliebt zu machen.

Schlussendlich hat die Diskussion um den Vaterschaftsurlaub gezeigt, dass in der Schweizer Bevölkerung in Bezug auf Elternzeit noch erheblicher Erklärungs- und Sensibilisierungsbedarf besteht. Wenn die Politik das Stimmvolk nicht auf den Weg mitnimmt, muss sie sich nicht über die Quittung wundern.


2. Er war zu einseitig und zu wenig durchdacht

Der Zürcher Vorschlag: 18 Wochen bezahlte Elternzeit für jedes Elternteil. Wieso eigentlich 18 Wochen und warum auf beide Elternteile aufgeteilt? Nun, die Vorlage der EKFF (Eidgenössische Kommission für Familienfragen) mit 38 Wochen Elternzeit schien hier das Mass der Dinge gewesen zu sein. Abzüglich zwei Wochen «Rabatt» als Kostenersparnis und geteilt durch zwei gibt 18 Wochen für jeden. Und plötzlich schien ganz vergessen, dass dem ursprünglichen Entwurf des EKFF-Vorschlages eine umfassende Metastudie zu Grunde lag, welche zahlreiche Fakten und Ergebnisse von bereits bestehenden Modellen berücksichtigte und die klug durchdacht war. 14 Wochen Mutterschaftsurlaub, Acht Wochen für den Vater, wovon nur zwei Wochen gleichzeitig genommen werden können. 16 Wochen können frei wählbar zwischen Vater und Mutter aufgeteilt werden. Ein Modell, welches die Eltern aktiv mit einbezieht und nicht eine Massnahme von oben für die breite Masse. Die Individualität und Vielfalt der unterschiedlichen Lebens- und Familienentwürfe blieb hier mit berücksichtigt.


3. Er hat einer notwendigen nationalen Lösung grossen Schaden zugefügt

Dass der Zürcher Alleingang wenig Chancen auf Erfolg hatte, lag also aus vielschichtigen Gründen auf der Hand. Für eine nationale Lösung, welche leider in den letzten Monaten hinter den Kulissen Gefahr lief, mangels Kompromissbereitschaft zerredet zu werden, ist das Ergebnis vom Sonntag ein Tief- und Rückschlag. Positiv gesehen zeigt es dennoch, dass es unbedingt einen breiten Kompromiss für eine nationale Lösung braucht, der zum Ziel hat «dass die Elternzeit von allen politischen Lagern getragen wird», wie es Philippe Gnaegi, Direktor von Pro Familia Schweiz in diesem Zusammenhang fordert. Für Aussenstehende, welche sich noch zu wenig mit dem Thema beschäftigt haben, ist deshalb vieles von der Diskussion nicht mehr nachvollziehbar. Wer fordert jetzt wieviel Wochen für wen und warum? Von den Kosten ganz zu schweigen. Der Nutzen einer Elternzeit für Eltern, Kinder, Wirtschaft und Gesellschaft rückt mit einer «Politik mit dem Stemmeisen» leider in den Hintergrund.


Die Befürchtung, dass es nun mit einer nationalen Lösung vorbei sei, können alle Akteure schlagkräftig widerlegen, wenn sie sich zukünftig von eigenen politischen und möglicherweise idealisierten Zielen ein wenig verabschieden und stärker an einem Strang für die Familie ziehen. Dabei sollten folgende Punkte bedacht werden:


1. Es braucht einen gesellschaftlichen Konsens und ein parteiübergreifendes Bündnis

Was die Schweiz bei der Elternzeit braucht, ist weder einen weiteren Flickenteppich, wie bei der Kinderzulage, noch ein weiteres West-Ost oder Stadt-Land Gefälle. Die Kinderzulage zeigt nämlich seit Jahren, dass kantonale progressive Modelle keinesfalls einfach Nachahmer finden. Wer in Sachen Familie eine Vorreiterrolle einnimmt, reitet zu häufig noch immer alleine.


2. Gleichstellung ist wichtig, aber nicht alles

Das Argument der Parität ist sicherlich wichtig in Bezug auf die Gleichstellung von Frau und Mann. Der gesetzliche Mutterschaftsurlaub muss jedoch von einer solchen Regelung ausgenommen sein und Bestand haben. Während das eine sich auf den Akt der Geburt bezieht und die Vitalität und Rechte der Frau stärkt, hat das andere die junge Familie im Fokus, Zeit mit dem Kind und Zeit für Bindungsaufbau.


3. Elternzeit und damit Förderung von Familien und Kindern ist nicht zuvorderst ein kantonales Thema, sondern von höchstem nationalem Interesse

Der Schutz von Familie ist in der Bundesverfassung klar benannt und das aus gutem Grund. Familie als kleinste soziale Zelle wird ihre Bedeutung für die gesamte Gesellschaft nie verlieren.


4. Elternzeit kann nur Teil eines Gesamtpakets sein, um Familien und damit Eltern und Kinder umfassend zu fördern

Wie internationale Studien zeigen, dürfen wir von einer Elternzeit nicht zu viel oder gar alles erwarten. Viel wichtiger scheint es, stärker für die Interessen von Kindern und Familien insgesamt einzustehen und ihre Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft hervorzuheben. Es braucht deshalb eine Gesamtsicht auf eine bestmögliche Förderung von Familien, die Transferleistungen ebenso im Blick hat wie eine stärkere Anerkennung von Familienarbeitszeit und Elternkompetenzen, Elternzeit und flexible und qualitativ hochwertige Betreuungsmodelle.



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